Pirna erhält sein »Marktschiff«

Neue Skulptur von Jan Witte-Kropius ziert den Brunnen am Untermarkt – Pirnas Marktplatz ist um eine Attraktion reicher geworden.

Die Brunnenskulptur des Künstlers Jan-Witte-Kropius am Pirnaer Untermarkt
Die Brunnenskulptur des Künstlers Jan-Witte-Kropius am Pirnaer Untermarkt, Foto: Stadt Pirna

Am heutigen Donnerstag, 23. Juni 2016 schwebte die neue Brunnenskulptur des Künstlers Jan-Witte-Kropius ein, die künftig den Sandsteintrog am Untermarkt ziert.

Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke begrüßte den neuen »Hingucker«:

Heute ist ein toller Tag für Pirna – Unsere Stadt ist um eine Attraktion reicher, die gleichermaßen Besucher und Bewohner einladen soll, die einzelnen Figuren des »Pirnaer Marktschiffes« zu begutachten und in der interessanten historischen Stadtlyrik nachzuforschen. Ich bin mir sicher, dass zahlreiche neue
Identitätsbeziehungen zu Pirna entstehen werden und freue mich bereits jetzt über interessante Brunnen-Gespräche.

Klaus-Peter Hanke

Das »Pirnaer Marktschiff«

Für die Brunnenplastik ließ sich Jan Witte-Kropius von Texten eines Büchleins inspirieren, das Dr. Richard Flachs 1918 unter dem Titel »Pirnaer Sagen und Geschichten« herausgegeben hatte. Sie entstammen diversen älteren Publikationen und beziehen sich auf Ereignisse und Personen aus unterschiedlichen Zeiten, die alle einen besonderen Bezug zur Historie der Stadt aufweisen.

Als Ausgangspunkt nutzt der Künstler das Bild eines in Pirna zur Fahrt nach Dresden ablegenden Marktschiffes, wie es in dem genannten Büchlein beschrieben wird. Er bevölkert es mit Figuren aus diesem Gedicht und aus anderen Texten des Büchleins, sodass sich Fantasie mit Realitätsbezügen mischt und ein buntes Geschichts-Panoptikum entsteht.

Einerseits werden Schiffe gern als Symbol für stetige Veränderung im Lauf der Zeiten interpretiert, andererseits verbindet man sie mit dem Gedanken an einen überschaubaren, relativ abgeschlossenen »Lebensraum«.

Die gedrungen-kompakte Gesamtform der Bronzeplastik lässt Vergleiche mit Arche-Noah-Darstellungen aufkommen: Vertreter unterschiedlichster »Spezies« müssen zeitweilig auf engstem Raum koexistieren und bilden eine abwechslungsreich strukturierte Gruppe. Auf dem erhalten gebliebenen Sockelrudiment des einstigen König-Albert-Denkmals platziert der Künstler ein aufgeschlagenes bronzenes Buch mit erklärenden Hinweisen, die die inhaltliche Erschließung der Darstellung erleichtern.

Aus dem Marktschiff-Gedicht stammen Figuren wie der Schiffer, der beim Ablegen »das Brett hereinzieht«, eine Marktfrau, die eine Birne aus ihrem Korb genommen hat und ein Geldstück hineindrückt, um beides Schulkindern zuwerfen zu können, die am Ufer um Unterstützung betteln. Am Bug des Schiffes, den das Pirnaer Wappen ziert, stehen zwei Männer beim Essen, Trinken und Diskutieren; zwei elegant gekleidete Damen am entgegengesetzten Ende des Schiffes tauschen neuesten Klatsch und Tratsch miteinander aus.

Als »Kantor«, der das Morgenlied anstimmt, fungiert schon eine Gestalt, die auch in den Sagen des Buches vorkommt: Peter Bucher von Pirna, ein Barbier, der es bis zum Erzbischof von Mainz gebracht haben soll. Der in Pirna geborene Ablasshändler Johannes Tetzel, Gegenspieler Martin Luthers, und der Pirnaer Bürgermeister Hans Christoph Volckamer, der 1693 nach
einem verborgenen Klosterschatz gesucht haben soll, sind weitere historisch belegte Persönlichkeiten.

Komplettiert wird das bunte Figurenensemble durch die zwei Sagengestalten des »Trompeters aus Pirna« und des »Pesthändlers bei Pirna« – Letztgenannter versucht, mit drei Unheil bringende Säcken als blinder Passagier das Schiff zu erklimmen. Liebevolle anekdotische Details wie ein Mäuschen, das sich auf dem Brett vom Schiffer noch mit an Bord ziehen lässt, und eine Katze, die sich im Versteck schon auf ihre leichte Beute freut, ergänzen die Gruppe.


Der Künstler Jan Witte-Kropius

Der Künstler Jan Witte-Kropius lebt im mecklenburgischen Neu Karin, einem kleinen Dorf zwischen Wismar und Rostock. Er ist nicht nur als Bildhauer, sondern auch als Maler und Grafiker tätig. In seinen dreidimensionalen Werken arbeitet er mit unterschiedlichsten Materialien – von Holz über Naturstein bis zum Bronzeguss. Seine künstlerische Ausbildung erhielt der 1959 in Rostock Geborene einerseits durch den persönlichen Kontakt zu den Bildhauern Gisela Roßberg und Reinhard Dietrich, andererseits durch ein Studium in der Fachrichtung Außenraumgestaltung/Stadtbild-Design an der Fachhochschule für Angewandte Kunst in Heiligendamm, das er 1984 als Diplom-Designer abschloss.


Die Initiatoren des Pirnaer »Marktschiffs«
Die Initiatoren des Pirnaer »Marktschiffs«, Foto: Stadt Pirna

Die Initiatoren des künstlerischen Wettbewerbes

Die Initiatoren dieser ungewöhnlichen Kunstaktion waren Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke, der Schauspieler und Gründer der Ilse-Bähnert-Stiftung, Tom Pauls, sowie die Pirnaer Bildhauerin und Galeristin, Christiane Stoebe. Insgesamt 54 Künstler beteiligten sich an dem im letzten Jahr ausgerufenen Wettbewerb. Das gesamte Vorhaben konnte durch Sponsoren finanziert werden.

Text: Thomas Gockel, Leiter Öffentlichkeitsarbeit, Presseinformation Nr. 2016-116