Wörter des Jahres

Sächsisches Wort des Jahres 2009

Beliebtestes Wort

färdsch

fertig

Schönstes Wort

fischelant

clever, rührig, auf Zack

Bedrohtes Wort

Asch

Aufwaschschüssel oder große Waschschüssel


Es lebe die Abwaschschüssel –
Eine Kolumne von Dr. Peter Ufer

Im Keller meiner Nachbarin fand ich einen Schatz. Etwas zerdellt, rund, ein wenig eingestaubt, aber noch brauchbar – einen Asch. Und in diesem Augenblick musste ich daran denke, wie ich einmal als Junge von meinen Eltern ins Haus nebenan geschickt wurde, um solch ein Gefäß zu holen, weil wir dringend noch eines brauchten. Ich fragte den neuen Bewohner, der aus Berlin kam: »Haben Sie einen Asch?« Er jagte mich fort und beschwerte sich bei meinen Eltern, ihr Sohn sollte andere nicht mir seinen Schweinereien belästigen.

Diesmal sollte ich den Asch aus dem Keller holen, weil meine Nachbarin ihn ins Stadtmuseum geben wollte. Ja, der Asch ist museumsreif und das Wort kennt kaum einer mehr. Ich sagte zu meiner Nachbarin, sie müsste noch den anderen suchen, denn ein Asch kommt selten allein. Klappte man einst die Klappe vom Aufwaschtisch auf und zog aus ihm heraus, was man jetzt nötig hatte, fand man auch etwas heraus: Es waren zwei Äsche, einer links, einer rechts. In denen wurde abgewaschen, Gemüse geputzt, die Kinder gebadet, ein Fußbad genossen und der Kuchenteig geknetet. Der Asch war schon ein Allrounder als die Sachen das englische Wort noch gar nicht kannten.

Karikatur von Uwe Krumbiegel

Meine Nachbarin erklärte mir, dass ganz früher der Asch eine irdene Schüssel für Milch gewesen sein soll. Und er würde deshalb so heißen, weil vor den irdenen Schüsseln das Gefäß aus Eschenholz gedrechselt war. Ich sagte ihr, dass ich gehört hätte, dass sich der Naschmarkt in Leipzig Naschmarkt nennt, nicht weil dort genascht wird, sondern weil die Leute wieder mal geschludert und sich’s zurechtgemacht haben. Der Naschmarkt war einst ein Aschmarkt, weil es dort Äsche gab. Es war ein Topfmarkt!

»Nu klar,« sagte meine Nachbarin. »Ob rund oder oval oder ellibdisch, mid Henkeln oder ohne, ob aus Holz, Don oder Medall: Da kannsde was neindun in den Asch, kannsd ihn dragn, kannsd ihn absedzn, kannst ooch ma mehrere inänandersedzn. Er hilfd in alln Lebenslagn. Im Grunde is es ä fischelandes Kelchn.«

Da sagte sie ein wahres und beliebtes Wort. »Wissn Se, was fischeland is,« fragte sie mich. Zum Glück wusste ich es. Die Vokabel findet sich allerdings in keinem deutschen Wörterbuch, denn es ist eine Haltung, ein sächsisches Lebensprinzip. Fischeland zu sein heißt, schlau seine Chance entdecken und nutzen, wach sein und wachsam, eifrig, aber nicht eifernd, drängend, aber nicht aufdringlich, bescheiden, ohne sich wirklich zu bescheiden.

Fischeland ist sächsisch, klingt französisch, ist es ursprünglich auch und heißt bei unseren Nachbarn vigilant, wachsam. Der Lateiner kennt die Vokabel als vigilans. In diesem einen Wort steckt der Erfindungsreichtum eines ganzen Volkes. Hier erfand man keine Panzer, sondern Feinstrumpfhosen. Hier erfand man keine Flugzeugträger, sondern Mundwasser. Ganz Deutschland putzt sich heute die Zähne mit Pasten sächsischen Ursprungs wie Chlorodont, Blendax oder Odol. Hier erfand man keine Kanonenkugeln, sondern den Büstenhalter, die Filtertüte, den Aktendulli, die Trommelwaschmaschine und die Kleinbildkamera.

Heute verdienen Japaner damit ihr Geld. Doch wer hat’s erfunden? Der geschickte, gewandte, aufmerksame, aufgeweckte, kluge, fischelande Sachse. »Sin Se färdsch mid ihre Nachhilfe«, fragte mich meine Nachbarin. »Ich bin färdsch«, sagte ich. »Mor siehds«, sagte sie. »Aber wenn se das Word nuh ma ä Hamburscher erklärn müssdn, wie würdnsn das erklärn?« »Muss man das noch erklären«, fragte ich. »Mor muss den Auswärdsch alles erklärn, die wissn doch von uns nischd, es erklärd ihn ja keener nischd.«

Färdsch is färdsch, aber vor allem sächsisch. Denn woanders sind die Leute fertig. Färdsch ist die mundartliche Ableitung von fertig. »Das kann kee andrer sachn, der brischd sich dabei dä Gusche«, sagte meine Nachbarin. »Färdsch läuft lässsch und weech dä Libbn naus.« Ich ergänzte noch, dass es ursprünglich vom Mittelhochdeutschen vertec kommt und so viel heißt wie „zur Fahrt bereit“. Daraus entwickelte sich die allgemeine Bedeutung bereit sein.

Das erinnerte mich an den Gruß der Jungpioniere: Seid bereit, immer bereit. »Sin se nuh endlich färdsch«, fragte meine Nachbarin. Nein, meinte ich, denn das Wort ist ausgesprochen vielfältig. Wenn der Sachse färdsch ist, dann ist er mit der Arbeit am Ende oder einfach mal nicht mehr zu gebrauchen, hockt in der Ecke und will von nicht was wissen. So wie ich manchmal, um nur einige zu nennen. Gleichzeitig kann der Sachse andere färdschmachen, auch wenn ihm das wider seiner Natur läuft und er es meistens nicht färdschbringd. Meistens jedenfalls.

»Und zum guten Schluss, kommt das Ende«, sagte ich. »Ich weeß, ich weeß«, sagte meine Nachbarin. »Färdsch is dor Höhebunkd des säggschn Liebeslebens. Das machd mich färdsch.« »Ist dem noch etwas hinzuzufügen?«, fragte ich. »Nee«, sagte meine Nachbarin. »Mir sin endlich fichs und färdsch. Guddmachn.«