Wörter des Jahres

Sächsisches Wort des Jahres 2013

Beliebtestes Wort

Hitsche

Fußbank

Schönstes Wort

forhohnebibln

verspotten

Bedrohtes Wort

schnorbslich

köstlich


Video zum Event

Video: artgenossen.tv


Das »Sächsische Wort des Jahres 2013«

Das Lieblingswort: »Hitsche«

Die Hitsche ist eine Fußbank für den täglichen Gebrauch im Haushalt. Mit der Hitsche kann sich der Sachse selbst erhöhen, um die Oberlichter von Fenstern zu reinigen, hoch gelegene Regalbretter zu erreichen oder von Schränken Koffer zu zerren. Für Kinder bietet die Fußbank beste Aufstiegsmöglichkeiten und die Chance, sich über das Waschbecken zu beugen oder endlich mal im Spiegel zu betrachten. Auch bei Fußballspielen im Stadion haben vorzugsweise kleinere Männer Hitschen dabei, um mit ihrer Hilfe über die Köpfe der Vordermänner schauen zu können.

Aber die Bank dient nicht nur dazu, sich darauf zu stellen, sie bietet zudem einen hervorragenden Sitzplatz. Immer in der ersten Reihe. Die Sächsin oder der Sachse hockt sich auf die Hitsche, um Beeren abzubäbeln, Schuhe zu putzen oder die Füße in eine Schüssel mit waren Wasser zu stecken. Gesprochen wird je nach Region Hitsche, Hitsch, Hitschl, Hutsche oder Hütsche. Das Wort kommt ursprünglich vom Hocken oder vom Rutschen. Denn die Fußbank wurde und wird ja ständig hin und her geschoben. Eine alte Hitsche kann aber auch ein klappriges Auto oder ein uralter Kinderwagen sein.

Und eine Käsehitsche ist ein aus schmalen Stahlrohren gebauter Schlitten mit Holzsitz. Mit dem kann man wunderbar rutschen.

Am schönsten: »forhohnebibln«

Forhohnebibeln lässt sich der Sachse nicht, das macht er schon alleene. Denn er lacht nicht über die anderen, er lacht über sich. Jeder Sachse lacht sich selbst am nächsten. Nur wenn andere über ihn lachen, wenn sie ihn veralbern, wenn sie ihn forgageiern wollen, dann wird er itzsch, also zornig. Forhohnebibeln oder auch verhohnepipeln oder verhohnipeln heißt jemanden verschmähen, verfluchen, verachten, verspotten, veralbern, veräppeln, verhöhnen.

Das Verb kommt vom Hohn und ist ein Witz, den der Sachse stets auf sich bezieht. So wird er schnell zum Lachopfer, weil er sich selbst opfert. Er macht sich lächerlich, um mit vorgetäuschter Schwäche durchzukommen. Sein Humor ist sein Überlebensmittel. Schlitzohrig, doppelbödig, defensiv und fatalistisch. Es geht um ironische Selbstschau. Schon immer. Der Sachse hat Witz und ist ein Witz und forhohnebiebln hilft ihm.

Bedroht: »schnorbslich«

Das Wort ist zu allererst zu hören. Zum Beispiel beim Mittagessen, wenn Möhren auf dem Teller liegen und der Sachse sie forschnabuliert, also isst. Das leise Abbeißen erzeugt einen Ton köstlichen Vertilgens, und die bissfeste Konsistenz des Gemüses befördert eine große Gaumenfreude. Wenn also ein leises krachendes, reibendes Geräusch zu hören ist, dann schnurpsen sich Möhren, Nüsse oder Äpfel einfach so weg.

Der Kaulärm deutet auf ein hohes Geschmackserlebnis hin. Schnorbslich kommt folglich von schnurpsen und heißt köstlich, aber bezieht sich nicht auf jede, sondern auf ausgewählte Mahlzeiten. Dabei gibt es in der Aussprache des Wortes regionale Unterschiede, denn in Leipzig beispielsweise spricht man, was man beim Essen ja eigentlich nicht tun sollte, schnärbslich. Aber es bedeutet dasselbe.
Die Aktion »Sächsisches Wort des Jahres«

Das sächsische Wort des Jahres wird seit 2008 verliehen. Initiatoren der Aktion sind die Schauspieler und Kabarettisten Uwe Steimle und Tom Pauls sowie der Dresdner Autor und Journalist Dr. Peter Ufer. Veranstaltet wird die Preisverleihung von der Ilse-Bähnert-Stiftung, Stiftung zum Erhalt und zur Förderung der sächsischen Kultur und Sprache, die Tom Pauls und Peter Ufer gemeinsam gründeten.

Medienpartner der Aktion sind die Sächsisch Zeitung, die Freie Presse sowie MDR 1 Radio Sachsen.

Text: Dr. Peter Ufer


Forhohnebibeln könn mor uns alleene –
Eine Kolumne von Dr. Peter Ufer

Meine Nachbarin setzte sich kürzlich einen Hut auf, band sich eine Fliege um. Fertig. Jetzt erzählte sie mir einen Witz. 30 Stück wisse sie sofort und beim Erzählen fielen ihr immer neue Witze ein: »Ich geh zur Vorsorche, da frachd mich eener: Wie groß sind sie und wie schwer. Da sache ich: Das schdehd doch alles in meiner Krankenakde. Da sachd der Mann: Ich bin ni dor Arzd, ich bin dor Dischler.«

Ja, ich musste lachen, aber wunderte mich über ihren Aufzug. Sie jedoch schmunzelte und meinte, dass man es sich einfach mal leisten solle, lauthals zu feixen. Das wäre echter Luxus und vor allem gesund. Es löse sämtliche Verkrampfungen, lockere die angespannten Nerven, bringe Stimmung gegen Verstimmung. Es handle sich um eine homöopathische Scherztherapie, die viel mehr Erfolg verspreche als Antidepressiva.

Doch der Sachse lache nicht über die anderen, er lache vorzugsweise über sich. »Jeder Sachse lacht sich selbst am nächsten,« sagte sie. Und ergänzte: »Forhohnebibeln lässd der sich aber nicht, das machdr schon alleene. Wenn andere über ihn läsdern, wenn sie ihn veralbern oder forgageiern wollen, dann wird er idzsch, also zornig.«

Karikatur von Uwe Krumbiegel

Ich schaute noch einmal nach, was denn genau forhohnebibeln bedeutet. Volkssprachlich hieß es früher auch verhohnepipeln oder verhohnipeln heißt jemanden verschmähen, verfluchen, verachten, verspotten, veräppeln, verhöhnen. Das Verb kommt vom Hohn, dem Spott. Deshalb hieß der frühere DDR-Oberste wohl auch Ho(h)necker.

Spätestens jetzt stellt sich heraus, dass der Witz eine Technik des Unbewussten zur Einsparung von Konflikten und zum Lustgewinn ist, eine Art Flucht nach vorn, eine Grenzüberschreitung ohne Genehmigung. Und durch die Solidarisierung mit Gleichgesinnten wirke der Witz gegen Autoritäten und den Unsinn in einer Gesellschaft. Das galt damals und gilt heute.

Der Sachse bezieht den Witz allerdings zuerst auf sich. So wird er schnell zum Lachopfer, weil er sich selbst opfert. Er macht sich lächerlich, um mit vorgetäuschter Schwäche durchzukommen. Sein Humor ist sein Überlebensmittel. Schlitzohrig, doppelbödig und fatalistisch.

Meine Nachbarin meinte, dass man dieses Leben ja nicht mehr ernst nehmen könne. Schon wenn sie zum Bäcker ginge und höre, dass sie keinen »Mohrenkopf« mehr verlangen dürfe, da frage sie sich schon, wer sich hier lächerlich mache. Soll sie etwa nach einem Windbeutel mit Migrationshintergrund fragen. »Das ist doch ein Witz,« sagte sie. Kürzlich habe sie vor einer Mohren-Apotheke gestanden und die hätten einfach über dem o zwei Striche gesetzt und jetzt wäre es die Möhren-Apotheke. »Sehr komisch, da sin dä Medigamende wo schnorbslich,« frate sie.

Das Wort schnorbslich gefiel mir. Es ist ja zu allererst zu hören. Zum Beispiel beim Mittagessen, wenn rohe Möhren im Salat liegen und der Sachse sie forschnabulierd, also isst. Das leise Abbeißen erzeugt einen Ton köstlichen Vertilgens, die bissfeste Konsistenz des Gemüses erzeugt eine große Gaumenfreude. Wenn also ein leises krachendes, leicht reibendes Geräusch zu hören ist, dann schnurbsd einer Möhren, Nüsse oder Äpfel. Der Kaulärm deutet auf ein hohes Geschmackserlebnis hin.

Schnorbslich kommt von schnurpsen und heißt köstlich, aber bezieht sich nicht auf jede, sondern auf ausgewählte Mahlzeiten. Dabei gibt es in der Aussprache des Wortes regionale Unterschiede, denn in Leipzig beispielsweise spricht man, was man beim Essen nicht tun sollte, von schnärbslich.

Meine Nachbarin band jetzt ihre Fliege ab, setzte den Hut ab, hänge beides an die Garderobe und ging in ihre Küche. Se versuchte oben vom Schrank einen Korb mit Gemüse herunterzuholen, schaffte es aber nicht. »Ich wachse schon dem Boden zu, obwohl ich doch ma in Himmel komm will«, sagte sie. »Schiebn se mir ma dä Hidsche nieber.«

Ich gestand ihr, dass ich mich sehr freute, dass sie eine meiner liebsten sächsischen Vokabeln nutzen würde. Denn die Hidsche oder Hitsche klingt nicht nur schön, sondern sie ist praktisch und eine unvergessliche Kindheitserinnerung. Die Hitsche heißt im Rest der deutschsprachigen Welt Fußbank und wurde für den täglichen Gebrauch geschaffen. Mit der Hitsche kann sich der Sachse selbst erhöhen, um etwas zu erreichen, was sonst unerreichbar wäre.

Das vierbeinige Möbel bietet beste Aufstiegsmöglichkeiten und die Chance, Süßigkeiten wie Bongsel oder Moler von Regalen zu holen. Aber die Bank dient nicht nur dazu, sich darauf zu stellen, sie stellt zudem einen hervorragenden Sitzplatz dar. Und immer in der ersten Reihe. Gesprochen wird je nach Region Hitsche, Hitsch, Hitschl, Hutsche oder Hütsche.

Das Wort kommt ursprünglich vom Hocken oder vom Rutschen. Denn die Fußbank wurde und wird ja ständig hin und her geschoben. Eine alte Hitsche kann aber auch ein klappriges Auto oder ein uralter Kinderwagen sein. Und eine Käsehitsche ist ein Schlitten. Jetzt hatte meine Nachbarin den Korb, sprang von der Hitsche runter und wir schnibbeldn uns im Abendrot einen schönen Salat fürs Abendbrot.