»Weihnachten im Tohuwabohu« – Kritik in der LVZ

Tom Pauls und die Riesaer Elbland Philharmonie unter der Leitung Ekkehard Klemms präsentieren im Gewandhaus gleich doppelt »Weihnachten im Tohuwabohu«.

Man hört ihm einfach gern zu, dem Renegaten Tom Pauls, wenn er in regelmäßigen Abständen aus Dresden herüberkommt in seine Heimatstadt Leipzig, um im Gewandhaus sich und die Elblandphilharmonie aus Riesa, Poesie und Sächsisch, Worte und Töne zueinander finden zu lassen. Sie ist einfach unwiderstehlich diese helle, gekonnt geführte und beherrschte Sprechstimme, die auf den Spuren Lene Voigts so wunderbar singt, die Hüsch hätschelt und Brecht beißend ätzen lässt, Ringelnatz und Roth, Kästner und Erhardt mit charmanter Wucht in den Saal stellt.

Wenn er einfach nur Geschichten aus seine Jugend erzählt oder aus seinem Leben, dann hört man ihm auch gern zu – ganz gleich, ob sie nun stimmen oder nur gut erfunden sind. Darum ist es kein Wunder, dass auch am Sonntag der große Saal des Gewandhauses wieder zweimal bestens besucht ist bei den Gastspielen von Tom Pauls und der Elbland Philharmonie unter der Leitung ihres Chefs Ekkehard Klemm.

Tom Pauls und die Elbland Philharmonie unter Ekkehard Klemm im Gewandhaus Leipzig. Foto: André Kempner

»Weihnachten im Tohuwabohu« heißt das Programm – nicht zufällig wie das Buch, das Pauls gerade mit Peter Ufer herausgegeben hat und in dem sich ein nicht geringer Teil der Lyrik und Prosa wiederfindet, die er im Gewandhaus vorträgt. Und weil sie zauberhaft sind, witzig und herzerwärmend, geht es völlig in Ordnung wenn der Vater von Ilse Bähnert auch ein wenig die Werbetrommel rührt.

»Heiteres Weihnachtskonzert« ist das Programm auch überschrieben. Und weil Tom Pauls das Gesicht der Veranstaltung ist, hat er, heißt es, die Musik selbst zusammengetragen. Das hat er recht geschickt gemacht mit Leipzig-Bezügen von Bach (natürlich) über Mendelssohn (sowieso) und Lortzing bis Gade im ersten und internationaler, nicht zu abgegriffener Schmissigkeit im zweiten Teil – schließlich verspricht der Titel eine gewisse Heiterkeit.

Für beide, das Schmissige wie das Heitere, sind die Riesaer unter Klemm die Richtigen: Ponchiellis »Tanz der Stunden« aus der Oper »La Gioconda« flirrt und perlt virtuos und sinnlich, Tschaikowskis »Dornröschen«-Walzer walzt wunderweich, Bilses »Winterflocken«-Galopp und Joseph Strauss’ »Winterlust«-Polka quirlen um die Wette. Die Empire-Erhabenheit von Holsts »In the Bleak Midwinter« greift ans Gemüt, Liszts »In dulci Jubilo«-Pastorale lässt kein Auge trocken. Und wenn doch, ist da ja noch das Weihnachtslieder-Potpourri von Leroy Andersons »Christmas Festival«.

Bei den Bezügen zur eigenen Heimatstadt fällt die Bilanz weniger gut aus. Die Pastorale, die die zweite Kantate von Bachs Weihnachtsoratorium eröffnet, kommt in Robert Franz’ Orchesterfassung mit Klarinetten, Hörnern und im halben Tempo daher, was im Detail schön klingt, sich aber so zieht, dass selbst Pauls anmerkt, das sei nun aber »sehr romantisch und noch getragener als sonst« gewesen.

In der Gavotte aus Bachs D-Dur-Orchestersuite will er, Pauls, das Modell für Mendelssohns »Hark! The Herald Angel Sings« entdeckt haben. Wohl damit jede und jeder das hört, lässt Klemm wenig von der Gavotte übrig – und man hört es trotzdem nicht. Geschenkt. Ins »Heitere Weihnachtskonzert« von Tom Pauls geht man nicht für die musikalische Ursachenforschung. Hier geht es um Heiteres und Besinnliches, vorgetragen von einem Meister der Wortes und der Laute und ihres Vortrags, des Timings und der perfekt sitzenden Pointe – nicht so sehr des Gesangs. Aber wenn alle zusammen singen, geht auch der in Ordnung, selbst bei den Synkopen von »Vom Himmel hoch«.

Und so sind am Ende alle glücklich und zufrieden, klatschen und jubeln – und freuen sich schon aufs nächste Jahr. Dann findet das »Heitere Weihnachtskonzert« von Tom Pauls und der Elblandphilharmonie übrigens am 10. Dezember statt.


Text: Peter Korfmacher
Leipziger Volkszeitung (LVZ) am 13. Dezember 2022