Wörter des Jahres

Sächsisches Wort des Jahres 2024

Wort des Jahres 2024

Hudelei

Gut gelaunte Gastgeber: Tom Pauls und Peter Ufer; Foto: PR

Das »Sächsische Wort des Jahres 2024« –
»Hudelei«

Das lange und gut gehütete Geheimnis ist endlich gelüftet. Aus über 2.000 Einsendungen ist der Begriff »Hudelei!« zum Sächsischen Wort des Jahres 2024 erkoren worden. Es bedeutet ins Hochdeutsche übersetzt: Schlamperei, Misere, unglückliche Situation, Dilemma, Schlamassel, Schererei oder Schwierigkeit(en).

Verkündet wurde dieses ausgesprochene Wortschätzchen, wie manch spitzfindiger Zeitgenosse vielleicht meinen könnte, passend zum 34. Tag der Deutschen Einheit. Und das nicht irgendwie und irgendwo. Sondern stilecht und würdig im Rahmen einer vor Wortwitz, Idiom-Feuerwerk und Musik strotzenden Gala im Boulevardtheater Dresden.

Die Initiatoren um Tom Pauls und Peter Ufer präsentierten und besangen das erwählte Wort und brachten, gemeinsam mit Moderator Andreas Berger, ihren Kabarettkolleginnen und -kollegen Kathy Leen, Mandy Partzsch, Peter Kube und Jürgen Haase sowie dem Pianisten Holger Miersch, das restlos ausverkaufte Theater zum heiteren Beben und prustenden Lachen.


Tom Pauls; Foto: PR

Laudatio auf das Sächsische Wort des Jahres 2024

Die Worte zum Wort:
Nachdem im vergangenen Jahr das Adjektiv »budzsch« (sächs. = wunderlich, merkwürdig, sonderbar, aber auch »niedlich«) zum Wort des Jahres gekürt wurde, sprüht das diesjährige Wort des Jahres nur so vor Zeitgeist und Aktualität. Versetzt mit einer Spur Humor und der in Sachsen niemals versiegenden Hoffnung auf das Gute.

All das hieb- und stichhaltig begründet die Jury der Ilse-Bähnert-Stiftung, die bereits seit dem Jahr 2008 die Auszeichnung zum Sächsischen Wort des Jahres verleiht, in ihrer Laudatio.

Sehr geehrte Damen und Herren,
überall vernehmen wir ihn, den Dialekt. Er spricht für sich und für die Heimat. Für den deutschen Schriftsteller Martin Walser glich die Mundart »einer Goldwährung«. Wir spüren es alle: Hochdeutsch geht von Hirn zu Hirn, Sächsisch geht von Herz zu Herz. Es ist die Sprache des Herzens. Mit der Melodie der regionalen Redeweise durchbrechen wir die Schallmauer der Rationalität. Klingende Satztöne fliegen aus offenen Fenstern der Häuser, wir hören Sächsisch in Kneipen, beim Einkaufen oder besser gesagt einholn oder beim Biddln gehn. Wir hören Wortgruppen am Bahnsteig, wo einem Sachsen der Zug vor der Nase wegfährt. Er wird gefragt: »Sie haben wohl den Zug verpasst?« Der Sachse antwortet: »Nee, nee, ich wärn wo forscheuchd ham.« In den Pausen der Sinfonien sächsischer Orchester nehmen wir die Sprache wahr. Die Frau fragt ihren Mann: »Had Dir dä Musik gefalln?« Er sagt: »Nuja, mor hads ma gehörd.«

Aus Mündern fallen Textschnipsel, die man beim Spaziergang überall aufsammeln kann. Zum Beispiel beim Blick von der Bastei: »Nu gugge ma da, ä bomforzionöses Banorama.« Harte Konsonanten verlieren im sächsischen Singsang ihren festen Aggregatzustand. Man höre nur die Dame mit dem Hund, der an einer anderen Dame hochspringt und ihr den weißen Mantel ableckt. Die Hundebesitzerin sagt: »Der Gude, der dud nischd!« Zyklen von Mundartfetzen schreien im Dynamo-Stadion: »Oaoaooah!« An der nächsten Baustelle Stau und Rufe: »Gesdrn gings hier noch – ich wär balde blöde!« Im Kleingarten ruft die Frau ihrem Gatten zu: »Was muddelsde denn schon widdr rum? Wär färdsch!« Oder eine Regenvorhersage ohne Wetter-App: »Gugge ma noff, s’ dreschd glei wie Schusdrjung.« Auf der Straße hört man den Kommentar zu einem Unfall: »Dän hads abr viehisch hingebräzld.« Es handelt sich dabei nicht um einen Brezelbäcker, der sein Gebäck verloren hat, sondern einen unglücklich gestürzten Fahrradfahrer, der in dä Weiche gegomm is. Der wurde nicht in die Pfütze gedidschd, sondern hat sich in der Schiene verhädderd. Vor dem Friedhof fragt einer den anderen: »Sach ma, gehs du zur Beerdigung vom Lehmann?« Antwortet der Erste: »Of kee Fall, der kommd doch zu meiner ooch ni.« Der Dialekt ist der Atem des Landes.

Auch das Wort des Jahres spricht sich in diesen Tagen häufiger herum. Wir hören es immer öfter, obwohl man es nicht hören möchte, schon gar nicht an einer Brücke. Denn es beschreibt einen misslichen Zustand, es kennzeichnet eine Misere. Der Sachse jedoch denkt wie die Katze um den heißen Brei herum, um auch mitten im größten Dilemma eine Lösung zu suchen. Not macht erfinderisch. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, sie haben nach Wochen endlich einen Handwerker bekommen. Sie sind froh, dass er ihre Fenster repariert hat, aber die sind nach der Reparatur noch immer schief. Sie weisen ihn auf die Pfuscherei hin, er entgegnet freundlich: „Das guggd sich weg!“. In diesem Augenblick kann er kriegen, was das sächsische Wort mit drei Vokalen und vier Konsonanten beschreibt. Und sie können da mitten hineingeraten. Man kann es fühlen im Nischl, im Greize und in der Ehe. Man sieht es kommen, kann es oft nicht verhindern, nimmt es hin und sagt dann leicht verzweifelt: »Immr is was!« Ein Ärgernis kommt selten allein – da läbberd sich was zusamm.

Während das Sächsische den unerfreulichen Umstand in dem einen Wort des Jahres zusammenfasst, benötigt das Deutsche zur Erklärung mehrere Synonyme, vorzugsweise mit Sch am Anfang: Schlamperei, Schlamassel, Schererei, Schlendrian, Schwierigkeit. Das politische Synonym dafür, das insbesondere Oppositionsführer gern im Mund führen heißt: Ampelchaos.

Aus dem Französischen wurde ein Wort nach Sachsen importiert, das nah dran ist an der sächsischen Variante zum Beschreiben der Situation: »dä Bredullsche«. Die Engländer sagen deutlich drastischer dazu: »Bullshit«. Im Sächsischen fühlt sich die Zustandsbeschreibung nicht ganz so krass an, denn die Vokabel spricht sich wie mit dem Weichspüler gewaschen und enthält Spuren von Humor und Hoffnung. Das Siegerwort ist das Gegenteil der Lobhudelei und hat nichts mit der Hude, also einer Anlegestelle zu tun. Aber ein Hudler ist der Verursacher und hudeln, nachlässiges arbeiten, das Verb dazu. Veraltet bedeutet das Wort, nicht zunftmäßig erlernte oder unbefugte Ausübung eines Handwerks, das Wirtschaftsunternehmen eines Pfuschers also.

Das sächsische Wort des Jahres fasst all das zusammen, wird mit zwei dd gesprochen und offiziell mit einem d geschrieben, es heißt: Hudelei!

Peter Ufer


Doppelherz aus Klipphausen: Kathy Leen und Holger Miersch; Foto: PR

Die schönste sächsische Redewendung 2024

»Wie dor Herre sos Gescherre.« –
‘So lautet die schönste und beliebteste, sächsische Redewendung im Jahr 2024.

Die in Ihrer Ursprünglichkeit bestechende Redewendung hat Ihre Wurzeln in der Antike und erfreut sich bis heute allgemeiner Beliebt- und Bekanntheit. Durch das sächsische Idiom wird die Phrase aber erst so richtig griffig und entfaltet vollste Wirkmacht.